Figurativ zu Abstrakt

Der Entstehungsprozess meiner früheren figurativen Werke folgte einem ritualisierten Ablauf.

Flüssiges Gelb eroberte in impulsiven Gesten die Leinwand. Gelegentlich folgte Zinnober. Dann herrschte Ruhe der Betrachtung.

Ich suchte in den entstandenen Formen Ansätze figürlicher Bildmotive.

Fand ich welche, arbeitete ich sie mit weiteren Farben heraus.

Erkennbar ist dieser Prozess am unvollendeten Bild von 1995.

Unvollendet, 1995, 96/105 cm, Öl/Kohle auf Leinwand

Die figürlichen Ideen sind hier mit Kohle abgesetzt.

Ich unterwarf die Farbe der Formfindung.

So stark, dass ich sie in einen plakativen Einsatz zwang.

Mein deutlichstes Beispiel ist der „Stier“ von 1989.

Stier, 1989, 83/102,5 cm, Öl auf Leinwand

Der emotionalen Vibration der Farbe öffnete ich mich nur langsam.

Motive wollten aus mir herausgemalt werden, um mich zu befreien, zu heilen.

Mit 2023 erreichte ich ein Maß der Gesundung und der Akzeptanz meines Seins, dass ich mich liebevoll der Farbe zuwenden konnte.

Das Ritual hat sich für die abstrakten Bilder verwandelt.

Ich beginne mit Wasser auf der Leinwand.

Durch die Waffe wird eine Farbe aufgetragen, nach der mir ist.

Meine Hand bringt die nächste Farbe ins Geschehen ein.

Waffe und Hand spielen im Wechsel mit den Farben.

Ich bin frei.

Der bindende Rahmen des Figürlichen ist aufgelöst.

Die Farbe begegnet mir abstrakt auf der Leinwand und ich spiele.

Dabei ist mir an einem wertschätzenden Dialog der Farben untereinander gelegen.

Blutiges Moos, 2024, 54,5/64 cm, Acryl auf Leinwand, 1.151 €

Ein Kommentar

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