Viele Menschen erlebe ich zögerlich in ihrem Sprechen über Kunst.
Aus meiner Sicht ist es ein zweischrittiger Prozess:
1 a) Das Bild spricht mich nicht an – dann gibt es nicht viel zu sagen.
1 b) Das Bild spricht mich an – dann beginnt ein konstruktives Sprechen über das Werk.
2) Da mich das Kunstwerk in Schwingung versetzt und mich berührt, kann ich frei über das Sprechen, was ich dabei empfinde und dazu denke. Es gibt kein richtig und falsch.
Jeder spricht über das, was das Werk im Selbst auslöst. Da ist jeder Mensch in seiner eigenen Autorität.
Die Vorstellung, etwas Gültiges über das Sein des Werkes an sich auszudrücken, ist eine Illusion.
Ich kann durch mein Sein mit dem Sein des Werkes verschmelzen, doch alles, was da erlebbar ist, bleibt unsprachlich.
Dieser Umstand mag die Quelle des anfänglichen Zögerns sein, die Kunst in uns auslöst.
Ich erlebe etwas, das unaussprechlich ist.
Bin ich mir bewusst, dass ich auf dieses Berührt-Werden durch das Werk mit meinem eigenen Ausdruck reagieren kann, bin ich frei und vermag mich auszudrücken.
Kommunikation zwischen mehreren Betrachtern gewinnt dann eine konstruktive Dynamik, wenn sich alle Beteiligten vom Selbstausdruck des anderen in Mitschwingung versetzen lassen. So entstehen komplexe, diskursive Co-Kreationen auf der Basis-Schwingung des Werkes.
Funfakt: Nach dem Schaffensakt erlebe ich mich als Künstler zu meinen Werken auch wieder als Betrachter. Wie ein Vater, der auf das sich entwickelnde Leben seiner Kinder blickt, wenn sie in die Welt schreiten.

Im Bezug auf das Bild „Blutiges Moos“ wurde ich von einer Betrachterin gefragt, ob es mich stören würde, wenn sie in den roten Farbflecken Rosenblätter sehen würde.
Ein anderer Betrachter blieb an zwei Titeln hängen: „Todesgeflüster“ und „Blutiges Moos“. Er meinte: „Bei Dir geht es ganz schön ab.“
In meinem Blick auf das von beiden benannte Bild empfinde ich starke Heilenergie und das rote Moos ist Zeuge einer gelungenen Wundversorgung.
Aus diesen drei Positionen lässt sich mit etwas Offenheit unschwer ein verwobener Dialog zwischen diesen Betrachtungsweisen entspinnen.
Im Sprechen über Kunst kann dem unaussprechlichen Berührt-Sein kreativer Selbstausdruck verschaffen werden.
Ein prächtiger Kommunikationsanlass.
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